Als ich mein erstes Weihnachten bei meinen Schwiegereltern in Großbritannien feierte, kam in der Planungsphase die Frage auf, ob wir uns ein panto-Theaterstück ansehen wollen. „Was ist panto?“ fragte ich meinen Gatten. „Pantomime,“ antwortete dieser. Ah! Pantomime. Das kenne ich. Oder … ?
Für Deutsche bedeutet der Begriff „Pantomime“ so viel wie „stummes Theater“. Die Schauspieler stellen alles ohne Worte dar und kommunizieren ausschließlich durch Mimik und Gestik. Klassisch stellt man sich hierzu eine Figur in schwarzer Kleidung mit weißen Handschuhen und einem weiß geschminkten Gesicht vor.
Wer sich in dieser Erwartung Karten für ein englisches panto-Stück kauft, wird im besten Fall überrascht, im schlechtesten Fall entsetzt sein. In der britischen Weihnachtssaison bezieht sich das Wort pantomime auf das krasse Gegenteil des deutschen Begriffsinhalts: eine zotige, schrille, bunte Inszenierung eines Märchens mit gesprochenem Wort, Gesang und ritualisierter Publikumsbeteiligung.
Es handelt sich um eine sehr britische und dort traditionelle Form des Theaters, die Unterhaltung für die ganze Familie zu bieten beabsichtigt. Über kindliche Sprache und Bühnenbilder hinaus verstecken sich oft auch Anspielungen und Humor, die nur Erwachsenen zugänglich sind.
Zur Tradition gehört es, dass mindestens eine der führenden weiblichen Rollen (meist die einer unsympathischen Figur) von einem Mann gespielt wird. Dies erinnert zwar, wie die audience participation, an die Rocky Horror Picture Show, darf jedoch keinesfalls mit Travestie verwechselt werden. Vielmehr ist dies Ausdruck einer Gesellschaft, die sich selbst gern auf die Schippe nimmt und in der die Rollenklischees nicht nur im Theater weniger starr sind als dies in unserem Land noch der Fall ist. (Wunderbar kompatibel ist diese Haltung übrigens mit dem Kölner Karneval. So feierte mein Ehemann diesen bereits diverse Male als betont schwache Kopie von Königin Elisabeth II. (mit Drei-Tage-Bart).)
Schillernde Kostüme à la Priscilla, Disneyeske Bühnenbilder, Männer in Frauenkleidern, ein kreischendes Publikum. Im Deutschen kommt mir für diese Art der Unterhaltung das schöne Wort „Klamauk“ in den Sinn. Für viele Engländer gehört dieses Theatererlebnis an Weihnachten einfach dazu. Andere rümpfen über diese eher ordinäre Form der darstellenden Kunst die Nase. Fakt ist: Wer Karneval mag, wird panto lieben! Einfach mal den geistigen Anspruch über Bord werfen und von der Stimmung mitreißen lassen. Natürlich gibt’s da von Produktion zu Produktion auch Qualitätsunterschiede. Aber wie Eltern wissen, sinkt die eigene Schmerzgrenze in nachgerade absurde Tiefen im Austausch für ekstatisch funkelnde Kinderaugen.
Nächste Woche gibt’s noch mehr, das Kinderaugen zum funkeln bringt.
Der Pommes-Buddha sagt: He’s behind you!
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