Der Sprachdetektiv

Karneval ist nicht mehr weit – es klingen schon allerorten Lieder in kölscher Sprache aus den Musikausgabegeräten. Was läge da näher, als sich mit der Entstehung der menschlichen Sprache zu befassen? Ein empfehlenswerter englischer Podcast tut dies mit Hingabe und gelangt am Ende – auch sehr passend zu den jecken (= sündigen) Tagen – zu den sieben Todsünden. Was steckt dahinter und was hat Sprache mit Geburtsschmerzen zu tun?

Mein englischer Ehemann machte mich neulich auf den neuen Podcast Stephen Fry’s 7 Deadly Sins aufmerksam, den wir daraufhin beim Abendessen gemeinsam zu hören begannen.

Stephen Fry ist sicherlich auch vielen Deutschen bekannt als Schauspieler aus Filmen wie Wilde oder Gosford Park. In England hat er sich zudem als Fernsehmoderator einen Namen gemacht, der beispielsweise über viele Jahr die sehr beliebte Wissensquizshow QI hostete (und als Anspielung darauf ein unterhaltsames kleines Gastspiel in der zweiten Staffel der übrigens sehenswerten britischen Serie Sex Education gibt).

Beim Hören stellte sich heraus: 7 Deadly Sins ist genau genommen der Titel der zweiten Staffel des Podcasts von Stephen Fry. In der ersten Folge der ersten Staffel, die 2018 unter dem Titel Stephen Fry’s Great Leap Years herauskam, beleuchtet er im Rahmen dieser Abhandlung über die größten Erfindungen der Menschheit die Entwicklung der Sprache. Sprache? Da horcht die Linguistin natürlich verzückt auf und denkt sich: Es lohnt sich eine nähere Betrachtung.

Dies trifft auf so viele Dinge zu, die wir täglich unbewusst tun: Wenn wir uns fragen, was eigentlich dahintersteckt, entdecken wir das Staunen wieder. Auf seine unnachahmbare, einehmende Art nimmt uns der eloquente und vor Esprit sprühende Fry mit auf eine faszinierende Zeitreise.

Eine der großen Erkenntnisse, zu denen wir auf dieser gedanklichen Wanderung gelangen, ist das Ausmaß, mit dem die Entwicklung der Sprachfähigkeit vor ca. 60-70.000 Jahren unseren Begreifenshorizont erweitert hat. Bis dato war es nur möglich gewesen, sich im Hier und Jetzt durch Deuten verständlich zu machen. Die neue Fähigkeit jedoch, über Dinge zu kommunizieren, die nicht unmittelbar geschehen, sondern vergangen oder zukünftig, oder gar nur hypothetisch möglich sind, setzt schier unfassbares neues Potenzial frei und ermöglicht eine um ein Vielfaches erweiterte Wahrnehmung von Raum und Zeit.

Damit ist die menschliche Sprache etwas, das sich nicht nur weitgehend „unbemerkt“ nebenbei entwickelt hat, wie andere Fertigkeiten auch, sondern etwas, das gewissermaßen den Grundstein für eine der größten Umwälzungen der Menschheit legte. Yuval Noah Harari, auf dessen Bestseller Eine kurze Geschichte der Menschheit (engl. Sapiens) einige von Frys Beobachtungen basieren, bezeichnet diese erste und in sich wiederum grundlegende Revolution als „kognitive Revolution“.

Alles in allem ist es eine große Freude, Stephen Fry beim Denken und Staunen zuzuhören. Er hat nicht nur Witz und Charme, sondern auch eine messerscharfe Beobachtungsgabe und seine ganz eigene, originelle, blumige, dramatische Sprache. Zudem wissen Kennerinnen spätestens seit den originalsprachigen Hörbüchern zu den Harry-Potter-Romanen, dass Stephen Frys Stimme die Fähigkeit hat, den Zuhörer einzuhüllen und hinfort zu tragen. Wenn ihr euch im Englischen schon recht sicher zurechtfindet, hört mal in den Podcast rein, und lasst euch eure grauen Zellen kitzeln.

Und am Schluss noch eine kleine Anekdote zur Entwicklung des menschlichen Gehirns (im Zusammenhang mit neuen kognitiven Fähigkeiten wie der Sprache), auf die mich die sehr empfehlenswerte Netflix-Reihe Explained (Unterkategorie Explained: Sex, Folge Geburt) aufmerksam machte. Diese Entwicklung führte natürlich auch zu einer Erhöhung des Hirnvolumens und damit zu größeren menschlichen Schädeln. Die bei der Spontangeburt des Nachwuchs‘ relevante Beckengröße der Frau passte sich in der Evolution allerdings nicht entsprechend an. Warum nicht? Weil die Natur nicht optimiert, sondern das beibehält, was funktioniert. Schmerzen sind evolutionär gesehen also kein Ausschlusskriterium für eine Eigenschaft, solange man mit dieser überlebt. Na, bravo! Schönen Dank auch.

Der Pommes-Buddha sagt: Wer die Sprache hat, hat die Macht.

Diesen Text als Podcast hören:

2 thoughts on “Der Sprachdetektiv

  1. Eine kurze Geschichte der Menschheit mit der Darstellung der „kognitiven Revolution“ von Yuval Noah Harari lese ich gerade: DAS BUCH IST EIN MUSS für jede/n kulturell Interessierte/n!

    • Super, danke für den Tipp! Ich selbst hab’s noch nicht gelesen, weil Harari ja so eine Bestsellerlisten-Erscheinung ist. (Vor denen schrecke ich immer eher zurück.) Schön, dass das in diesem Fall wohl unbegründet ist. Freue mich auf die Lektüre! 🙂

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