Ein Stern am Horizont

Man sieht es allenthalben in deutschen Texten – in Stellenanzeigen, Parteiprogrammen, auf Webseiten: das Gendersternchen. Doch was hat es damit auf sich? Wer sollte es benutzen und warum? Und kann man ein * sprechen?

In einem Gespräch mit einer Freundin konstatierten wir jüngst: Wir leben in aufregenden, umwälzenden Zeiten. Allein im letzten Jahr hat sich im öffentlichen Diskurs so viel getan. Greta Thunberg hat dafür gesorgt, dass Klimaschutz nicht mehr nur special interest ist. Öffentlich geäußerte Meinungen sind vielfältiger als je zuvor. Vormals kleine Themen sind Mainstream geworden und langsam finden wir durch all diese kontroversen Auseinandersetzungen wieder in eine neue Debattenkultur.

Auch die Sichtbarkeit von Frauen in der deutschen Sprache hat einen kleinen Aufschwung erfahren. Was vormals als übertrieben penibel galt, ist nun für einige bereits selbstverständlich. Doch wie beziehen wir uns sprachlich richtig auf Männer, Frauen, Menschen?

Nun, zunächst sollten wir uns überlegen, welche Menschen in der eigenen Sprache vorkommen sollen und welche Unterscheidungen wir treffen möchten. Wir leben in einer Gesellschaft, die auf einem geschlechtlich binären (weiblich/männlich) System aufgebaut ist. Inzwischen wissen aber viele von uns bereits, dass es auch Menschen gibt, die sich keinem Geschlecht eindeutig zuordnen wollen. Seit Dezember 2018 dürfen sich diese Menschen in Deutschland in ihrem Personalausweis als „divers“ (d) bezeichnen. In vielen Stellenausschreibungen findet man daher hinter dem Jobtitel die Spezifizierung „(m/w/d)“. Betrachtet man diverse Menschen als eine Minderheit, die man nicht gesondert sichtbar machen möchte, so kann man weiter beim binären System bleiben.

Will man jedoch sprachlich so inklusiv wie möglich sein, so ist das Gendersternchen eine zwar heiß umstrittene, aber gängige Variante. Z. B. schreibt man dann „Leser*innen“ und meint damit alle im betreffenden Kontext lesenden Menschen, auch diejenigen mit nicht-binären Geschlechtsidentitäten. Ich benutze das Gendersternchen in E-Mails etc. sehr gerne, weil ich finde, dass es wie eine schöne Schneeflocke die Einzigartigkeit jedes Menschen und gleichzeitig unsere gesellschaftliche Vielfalt symbolisiert und dass es nicht schaden kann, alle Menschen einzubeziehen.

In bestimmten Kontexten wie Klima- und Nachhaltigkeitsthemen ist das Sternchen mittlerweile Gang und Gäbe. Als ich neulich auf dem Unterstützerinnentreffen für die Allianz für Entwicklung und Klima dolmetschte, sprach ich sogar das Gendersternchen, weil ich mir sicher war, dass das Publikum dort daran gewöhnt war. Das Gendersternchen spricht man, indem man vor dem Sternchen eine kleine Sprechpause macht (also „Leser-innen“; mehr dazu findet Ihr hier).

Eine weitere Möglichkeit, alle Menschen einzuschließen, wäre eine neutrale Substantivform wie „Lesende“. So etwas mag oftmals noch konstruiert klingen, aber im akademischen Kontext hat sich das seit Jahren übliche „Studierende“ bereits so etabliert, dass es einem nun schon ganz normal vorkommt. Beispielsweise wurde sogar das „Studentenwerk“ in „Studierendenwerk“ umbenannt.

Eine Freundin, deren Ehemann Lehrer an einem Gymnasium ist, berichtet, dass dort die Form „Schülerinnen und Schüler“ (im Schriftlichen abgekürzt SuS) wie selbstverständlich von allen verwendet wird.

Was ich in meinen Blogtexten mache, ist zu versuchen, weibliche und männliche Formen möglichst organisch abzuwechseln, damit der Lesefluss ungestört bleibt. Andere gehen noch weiter und verwenden ausschließlich die weibliche Form. In diesem Fall sind Männer eben „mitgemeint“, so wie Frauen es jahrzehntelang auch waren.

Im Englischen gibt es übrigens seit geraumer Zeit die Tendenz, weibliche Substantivformen zu vermeiden. Beispielsweise bezeichnen auch feministisch geprägte Schauspielerinnen sich selbst oft als actor, obwohl es die feminine Form actress durchaus gibt. Dahinter steckt die Auffassung, dass man Frauen dadurch empowert, sie nicht als Sonderfall herauszustellen. (Hier ein spannender Artikel zum Thema aus dem Guardian.) Derselbe Ansatz war in der DDR üblich, wo Frauen stets mit der maskulinen Form ihrer Berufsbezeichnung auf sich selbst Bezug nahmen („Ich bin Ingenieur“).

Ganz schön verwirrend – und ein Patentrezept gibt es nicht. Auch viele andere, kreative Lösungen sind möglich. Fakt ist, Sprache schafft Realitäten. Viele Untersuchungen zeigen, dass der Sprachgebrauch durch den sogenannten Priming-Effekt beeinflusst, was wir für möglich, für realistisch, für normal halten. Und wir alle gestalten diese Konzepte mit. Überlegt Euch also, in welcher Welt Ihr leben wollt und fangt an, sie zu sprechen!

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